Kraftquellen im Schulalltag
14 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, vier davon aus dem Bistum Limburg, haben den jüngsten Schulpastoralkurs der Diözesen Fulda, Mainz, Speyer, Trier und Limburg erfolgreich absolviert. Gemeinsam mit Dr. Brigitte Lob aus dem Bistum Mainz leitet Barbara Lecht den Weiterbildungskurs. Sie erklärt im Interview Anliegen und Aufgaben der Schulpastoral.
Sie sind Referentin für Schulpastoral im Bistum Limburg und zugleich selbst im Schulpastoralteam der Bischof Neumann Schule in Königstein. Was machen denn die Lehrkräfte, die dafür ausgebildet und zuständig sind?
Barbara Lecht: Das ist ein weites und spannendes Feld. Kurz gesagt: Es geht um wertbildende und sinnstiftende Erfahrungen. Wir begleiten Kinder und Jugendliche in allen möglichen Lebenslagen. Sie sind ja zunehmend ganztags an der Schule, das ist für sie nicht mehr nur ein Lernort, sondern ihr Lebensort. Sie bringen alles mit hierher. Das, worüber sie sich freuen, aber auch ihre Sorgen und Nöte. Junge Menschen müssen sich schon mit einer großen Bandbreite an Problemen herumschlagen. Schule ist da auch ein Spiegel der Gesellschaft. Alles, was gerade aktuell aufschlägt, kommt in der Schule vor. Unser Anspruch, zur Humanisierung der Schule und zur Schulkultur beizutragen, bezieht sich dabei auf die ganze Schulgemeinde einschließlich Hausmeistern und Sekretariat. Wie genau die Tätigkeit gestaltet ist, hängt sehr von der jeweiligen Schule, ihrem Umfeld, ihrer Ausrichtung ab. Ob jemand an einer Grundschule tätig ist oder an einer Berufsschule mit lauter Erwachsenen macht einen großen Unterschied. Für alle gleichermaßen gilt, dass die Schulpastoral in Krisensituationen meist die erste Anlaufstelle ist.
Was sind das für Krisen?
Barbara Lecht: Ein Beispiel: Da ist am Vorabend der Vater eines Schülers unerwartet gestorben. Die Mutter möchte, dass gleich an diesem Morgen die Mitschüler informiert werden. Wie er das am besten gestaltet, dafür holt sich der Klassenlehrer bei der Schulseelsorgerin Rat und Unterstützung. Ich sehe solche Anfragen als positiv an. Wenn es um Tod und Trauer geht, wird uns zugetraut, dass wir das können! Damit wiederum hängt ja auch die Bereitschaft vieler Schulleitungen zusammen, Lehrkräfte eine solche Fortbildung machen zu lassen. Viele Anfragen an die Seelsorge gab es in diesem Jahr auch, als klar war: Jetzt ist Krieg in Europa. Die Schülerinnen und Schüler hatten Angst, waren sehr betroffen. Wir hatten auf einmal einen großen Bedarf an Friedensgebeten. Ganze Schulen haben zusammen um Frieden gebetet. Auf Schulhöfen wurden Peace-Zeichen aus tausenden Teelichtern gelegt. Es brauchte Aktionen, die Schülerinnen und Schülern bei der emotionalen Bewältigung der Situation halfen.
Worum geht es im Schulalltag?
Barbara Lecht: Die Kinder und Jugendlichen kommen mit sehr verschiedenen Anliegen zu uns. Es kann die Angst sein, mit einer schlechten Note nach Hause zu gehen. Eine Schülerin hat das Gefühl, dass niemand in der Klasse sie mag. Ein anderes Kind ist belastet durch die Trennung der Eltern oder den Tod der Oma. Ein solches vertrauliches Gespräch gut zu führen, kann man lernen. Es gehört zu den ersten Modulen des Ausbildungskurses. Die Kolleginnen und Kollegen müssen sich dabei bewusst werden, dass sie künftig in einer zweiten Rolle an der Schule unterwegs sind. Als Lehrkraft formulieren sie konkrete Erwartungen, bewerten und benoten Ergebnisse. Schulseelsorge ist genau anders: Da geht es ums Hinhören. Um ein gemeinsames Überlegen, was der- oder diejenige braucht. Was sich ändern müsste, damit es besser wird. Um Selbstwirksamkeit und das Gefühl, angenommen zu sein mit allem, was ich mitbringe.
Schulseelsorge ist anders: Da geht es ums Hinhören.
Bewertungsfreie Zonen schaffen, das ist auch die Grundidee bei den Gemeinschaftserlebnissen, die wir ermöglichen. Ob das Adventsbasteln ist oder ein Spieleangebot: Entscheidend ist Zeit ohne Leistung, dafür aber mit der Erfahrung, wertvoll zu sein, so wie man ist. Aufgabe der Schulpastoral kann es ebenso sein, die Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, sich in sozialen Projekten zu engagieren. Derzeit steht natürlich das Päckchen-Packen für einen guten Zweck hoch im Kurs. Vor allem in den katholischen Schulen, aber nicht nur dort, kommt die Gestaltung von Gottesdiensten, Tagen der Orientierung und spirituellen Impulsen dazu. Orte, Zeiten und Rituale schaffen, die den hektischen Schulalltag unterbrechen und so zu Kraftquellen im Schulalltag werden.
Welche Inhalte hat die Ausbildung und wer nimmt teil?
Barbara Lecht: Der Kurs umfasst 18 Kurstage in sechs Kursblöcken innerhalb von knapp zwei Jahren. Dazu kommen Treffen in regionalen Praxisgruppen und bis zu zwölf Supervisionssitzungen. Das ist schon eine intensive Sache! In den verschiedenen Modulen geht es unter anderem um die Begleitung von Menschen in Krisen, den Umgang mit Konflikten und Mobbing und um die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Spiritualität. Weil es kontinuierlich Übungssituationen gibt mit Rollenspielen und in Kleingruppen, ist die Zahl der Teilnehmenden begrenzt. Die meisten von ihnen unterrichten katholische Religion, aber es gibt durchaus auch Lehrkräfte mit anderen Fächern. Außerdem richten sich die Kurse an Hauptamtliche in pastoralen Berufen, Pfarrer, Diakone, Ordensleute, die im Schuldienst tätig sind und dort im Bereich Schulpastoral einen Schwerpunkt setzen wollen. Die Praxis steht obenan. Die künftigen Schulseelsorger und Schulseelsorgerinnen gestalten an ihren Schulen jeweils ein Projekt, über das sie eine Hausarbeit schreiben und das sie zum Kursende präsentieren.
Welche Projekte sind denn an Schulen im Bistum Limburg entwickelt worden?
Barbara Lecht: Allesamt waren es sehr schöne Projekte, die die ganze Vielfalt der Schulpastoral zeigen. Antje Gerlach hat sich mit 26 Schülerinnen der St. Angela-Schule in Königstein auf den Weg nach Italien gemacht, um auf den Spuren der heiligen Angela unterwegs zu sein. An der Bischof Neumann Schule, ebenfalls in Königstein, hat Annabel Ernst das dort bereits bestehende Schulpatenprojekt intensiviert und auf breitere Füße gestellt. Die Paten für die Fünftklässler werden jetzt für den Umgang mit den Kleineren ausgebildet, um gut mit ihnen in Kontakt zu kommen. Matthias Klipsch hat für die Diltheyschule in Wiesbaden adventliche Andachten konzipiert in Zusammenarbeit mit dem jüdischen Religionslehrer der Schule. Mit der Aktion „Meine Stimme gegen Diskriminierung und Rassismus“ hat David Richter gleich die ganze Philipp-Holzmann-Schule in Frankfurt mobilisiert. Die Berufsschülerinnen und -schüler konnten sich einen ganzen Tag lang an verschiedenen Stationen mit dem Thema auseinander setzen.
Weil es wichtig ist, zu erfahren, was Religion bewirken und leisten kann in der Gesellschaft.
Was wünschen Sie sich im Bereich Schulpastoral für die Zukunft?
Barbara Lecht: Ich bin froh, dass meine Liste größer wird. Inzwischen stehen darauf 85 Kolleginnen und Kollegen, die in Sachen Schulpastoral an Schulen im Bistum Limburg unterwegs sind. Natürlich freue ich mich, wenn sich weitere Schulen und Lehrkräfte dazu entschließen, sich in der Schulpastoral zu engagieren. Ich bin davon überzeugt, dass sich das für alle Beteiligten lohnt. Weil es wichtig ist, zu erfahren, was Religion bewirken und leisten kann in der Gesellschaft. In den Schulen sind Religionslehrkräfte und die Schulseelsorge das Gesicht der Kirche. Hier sind wir direkt im Gespräch und im Kontakt mit Kindern und Jugendlichen und erfahren hautnah, was sie bedrückt, was sie sich erhoffen und was sie erwarten – auch von der Kirche. In dieser Arbeit findet sich eine Antwort auf die Frage der Kirchenentwicklung, „Für wen sind wir da?“ Auch aus diesem Grund würde ich mir wünschen, dass die Absolventinnen und Absolventen nicht nur feierlich ihr Zertifikat überreicht bekommen, wie es dieser Tage wieder der Fall war, sondern auch offiziell vom Bischof beauftragt werden für ihre Tätigkeit.
Einmal im Jahr startet der Kurs zur berufsbegleitenden Weiterbildung des Pädagogischen Zentrums der Bistümer im Lande Hessen in Zusammenarbeit mit den Schulabteilungen der Diözesen Fulda, Limburg, Mainz, Speyer und Trier sowie dem Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung (ILF) Mainz. Informationen dazu gibt es bei Barbara Lecht, E-Mail: b.lecht@bistumlimburg.de.